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Des Sprachbloggeurs Weihnachtsbotschaft

Ich muss, liebe Lesende, nach Weihnachten daran denken, das Geld, das viele Geld, das mir in letzter Zeit wie durch ein Wunder zugeflogen ist, abzuholen. Doch jeden Tag vergesse ich an meine Gönner zurückzuschreiben, um die Modalitäten des Transfers zu erfahren. Dann zack! Es geht wieder los, und prompt trifft die nächste frohe, lukrative Botschaft ein. Mehr Geld!

Meistens kommen die Mails aus Afrika, Urwiege der Menschheit – oder meine ich „der Menschlichkeit“? Zum Beispiel, die Mails vom Reverend Robert David oder von Sister Edith, die mir neulich im Namen von Jesus Christus anschrieben, oder Mrs. Hala Almofty, die mir liebenswürdigerweise im Namen des allmächtigen Allah beglückwünschte. Diese Wohltäter teilen mir jedesmal dasselbe mit: dass ausgerechnet ich auserwählt wurde, um eine Unsumme zu erben. Meistens sind es Dollarbeträge.

Ja, dieses Jahr weihnachtet es bei mir besonders kräftig.

Aber wie kommen diese gütigen Menschen auf mich? Das frag ich mich oft. Keine Ahnung. Man freut sich dennoch. Geld ist schließlich Geld, gell? Und wie der römische Kaiser Vespasian einst verlautbaren ließ: pecunia non olet. Geld stinkt nicht.

Die kinderlose Juliana Desmond, zum Beispiel, lebte, nachdem ihr steinreicher Ehemann gestorben war, in Saus und Braus. Doch nun ist sie an Krebs erkrankt, und plötzlich will sie ausgerechnet mich als ihren Erben einsetzen. Ulkig. Vielleicht war sie mal Leserin des Sprachbloggeurs. Nur eine Theorie. Aber in solchen Augenblicken denke ich, dass sich der öffentliche Auftritt doch lohnt!

Und dann kam die Mail von Mrs. Joan Williams, die mich im Auftrag vom Uno-Chef Bank-ki Moon persönlich kontaktierte. (Notabene: Frau Williams schrieb tatsächlich „Bank-ki Moon“ und nicht „Ban-ki Moon“). Ich zähle, so meinte sie, zu den 5000 „Scam-Opfern“, die weltweit durch skrupellose afrikanische Phisher um eigenes Geld gebracht wurden. Nun will sie Buße tun. Von daher soll ich sage und schreibe 5 mio US-Dollar erhalten. Fakt ist: Ich war nie das Opfer skrupelloser afrikanischer Phisher. Ich sage aber nix. 5 mio sind schließlich 5 mio. Gell?

Aber was soll ich mit dem viel Geld machen?

Nur eins steht fest. So bald das amerikanische Finanzamt von der Sache Wind bekommt, wird es heftig zulangen. Vielleicht wissen Sie’s nicht. Wir amerikanische Staatsbürger werden, wenn wir mehr als 90.000 Dollar im Jahr im Ausland verdienen, doppelt besteuert. In Klartext bedeutet das, dass ich meine Millionen nicht nur mit dem deutschen Fiskus teilen muss, sondern auch mit den Amis. Komisch, nicht wahr?

Es gibt auf der ganzen Welt nur zwei Länder, die ihre im Ausland lebenden Bürger dazu zwingen, eine jährliche Steuererklärung abzugeben. Das sind die USA und Äthiopien.

Auf Englisch werden wir „Expatriates“ genannt. Früher war ich überzeugt, dass das Wort „Expatriot“ heißt – als wär ein im Ausland lebender US- Staatsbürger gleichsam ein gewesener Patriot. So einfach bekommt man auch die eigene Muttersprache in der falschen Kehle, wissenS‘.

Vielleicht ist es okay, wenn das amerikanische Finanzamt seinen Anteil meiner Millionen für sich absahnt. Denn schließlich war auch jeder Expatriot mal ein richtiger Patriot, oder? Außerdem könnte ich jederzeit, wenn ich wollte, in die alte Heimat zurückkehren und mir – da ich sowieso unbescholten bin – eine hübsche Knarre ergattern –mehrere sogar. Und mit dem vielen Geld, das mir übrigbleibt (auch nachdem der amer. und der dt. Fiskus zulangten), könnte ich mir mühelos die teuersten und geilsten Waffen gönnen, die es gibt. Selbstverständlich nur die legalen.

Irgendwie schön ein Weltbürger im 21. Jahrhundert zu sein.

Danke Afrika! Danke Deutschland! Und danke USA!

Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest.

Das wünscht mit ganzem Herzen Ihr Sprachbloggeur

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