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Hipster: hier vielleicht zum ersten Mal die ganze Geschichte

„Wenn ich den Schal umwickle, dann schaue ich aus wie ein Hipster“, sagte mein Sohn. „Es fehlt bloß die Sonnenbrille.“

„Nein der Schal sieht wirklich gut aus, richtig schick“, konterte meine Frau.

„Das meine ich eben“, sagte mein Sohn.

„Warte, warte“, jetzt war ich dran. „Was heißt hier ‚Hipster‘?“

„Hipster?“, antwortete mein Sohn. „Weißt du nicht, was ein Hipster ist?“

Ich: „Natürlich weiß ich, was ein Hipster ist, aber Hipster scheint, wie ihr redet, nicht mehr ‚Hipster‘ zu bedeuten.“

Obiges die Quintessenz eines Gesprächs. Und in dem Augenblick fiel mir eine Redewendung ein, die manchmal meine Mutter gebraucht: „What goes around, comes around“ – auch übrigens der Titel eines Justin-Timberlake-Liedes. (Vielleicht stammt der Spruch von ihm? Denn ich kenne ihn von früher nicht). „Alles rächt sich früher oder später“, wäre eine brauchbare deutsche Übersetzung.

Ich behaupte, dass dieser Spruch auch viel über den Begriff „Hipster“ aussagt.

Nicht von ungefähr findet man in Wikipedia zwei völlig unterschiedliche Einträge für dieses Wort. Der eine heißt „Hipster (21. Jt)“, dessen Inhalt erwartungsgemäß nicht gerade schmeichelhaft ist, siehe da; der zweite erscheint als gelehrter Aufsatz über die längst verschwundene Subkultur der „Hipster“ um die Mitte des 20. Jahrhunderts.

Ich werde dort anfangen, wo ich mich wenigstens einigermaßen auskenne. Die „Hipster“ waren nämlich in meiner Kindheit die coolenTypen. „Angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo”, schrieb Poet Allen Ginsberg 1956 in seinem langen dichterischen Aufschrei “Howl” (Heulen), der zum Fanal der Jugendbewegung wurde. Etwa: Engelköpfige Hipster, die sich nach der uralten himmlischen Verbindung zum sternhellen Generator sehnten.

Damalige „Hipster“ waren quintessenziell „hip“. Wenn man, “he‘s hip“ sagte, so meinte man: Ja, er weiß Bescheid. Und so hätte es auch jeder verstanden. Und so war es, bis mit einem Mal der Sinn dieses Wortes ins Gegenteil umschlug. Das passierte in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Damals nannten wir solche Jugendliche „Hippies“ oder „Hippie-Dippies“, die (unserer Meinung nach) nur so taten, als wüssten sie Bescheid – ähnlich wie man heute mit den heutigen deutschen „Hipsters“ umgeht. Dann erneut eine unerwartete Umkehrung. Ab 1966 waren „Hippies“ schon wieder die Coolen. Sie wissen schon: „Flower-Power“, lange Haare, Marihuana, Sex wie die Kaninchen usw. Wieso diese Zeitgenossen (zu denen auch ich eine Zeitlang zählte) als „Hippies“ bezeichnet wurden, weiß ich nicht. Aber egal: Irgendwann schauten auch die neuen „Hippies“ alt aus. What goes around comes around.

In einer der neuesten Inkarnationen taucht das Element „hip“ abermals im positiven Sinn auf: als „hiphop“. Aber nur Geduld, zumal so viele Hiphop-Musiker längst schöne Häuser und Autos und graue Haare haben.

Nun ein gewaltiger Sprung nach hinten zu einer noch älteren Inkarnation unseres Wortes: das Zeitalter der „Hepster“. „Wer „hep“ war – und jetzt reden wir von der Zeit zwischen 1910 und 1945 – war einst der Inbegriff des coolen Typs. Er wusste Bescheid. Manchmal wurde ein solcher als „Hepcat“ bezeichnet, „cat“ im Sinn von „Typ“. Die weibliche Form war „Chick“ (Hühnchen). Aber keiner sagte „Hepchick“, vielleicht weil es wie ein Nießen klingt.

Doch irgendwann schauten auch die „Hepcats“ alt aus. In den 1940er Jahren bezeichnete sich die neue Generation von „Coolcats“ nurmehr als „Hipcats“; entsprechend wurde das alte Wort „Hepster“ in „Hipster“ verwandelt. Damals hieß es in einem „hip“ Lied: “It’s not hip to be hep“, etwa: Man ist nicht mehr im Bild, wenn er sich für„hep“ hält.

Nebenbei: Meinen diversen gelehrten Quellen zufolge tauchte der inzwischen museale Begriff „hep“ 1908 zum ersten Mal im Printmedium auf. Hinzu: Ein emsiger Forscher in Wikipedia berichtet, dass der „hepcat“ womöglich aus der Wolofsprache (in Senegal beheimatet) stamme. In dieser Sprache bedeute „hepicat“ „einer, der die Augen offen hält“, einer also, der Bescheid weiß. Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt. Fest steht jedenfalls: Der„hip“-Wortschatz insgesamt ist in afroamerikanischen Kreisen in den USA entstanden – die Geheimsprache einer verfolgten Minderheit klingt oft „hip“.

Die heutigen „Hipster“, zu denen mein Sohn nicht zählt, sind also die Ururururenkel einstiger „Hepster“. Nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder voll „hep“ werden.

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