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Das Problem ist in trockenen Tüchern

„Das Problem ist vom Eis“, sagte letzte Woche ein ARD-Nachrichtensprecher. Welches Problem er meinte, habe ich leider vergessen. Vom Eis? Wie ist es möglich, ein Problem vom Eis zu entfernen?

Und wie sieht ein Problem aus, wenn es aufs Eis gelegt wird?

Irgendwie tröstlich für mich zu wissen, dass native speakers ebenso schlampig mit der deutschen Sprache umgehen wie ich es tue.

Und deshalb fühle ich mich berechtigt, Neues in die deutsche Sprache einzuführen. Zum Beispiel die Redewendung, die ich letztes Jahr aus dem Boden stampfte: „Die Kuh ist in trockenen Tüchern“. Ist sie nicht schön? So eine Formulierung bezeichnet man auf Englisch als „mixed metaphor“, das heißt, als aufgemischte Metapher. Uns wurde in der Schule stets eingeschärft, unsere Metaphern never zu mixen. Aber rules are meant to be broken.

Das mit dem Eis usw. soll hier aber nur als kurze Einleitung dienen. Eigentlich wollte ich das Thema vom letzten Beitrag wieder aufgreifen. Wer besagten Text nicht gelesen hat, hier eine kurze Zusammenfassung: Ich hatte eine panische Angst, dass ich während einer Rom-Reise überall auf Taschendiebe treffen würde, die mir meine Kostbarkeiten – mein Portemonnaie, meinen Schlüsselbund, meinen Fremdenführer, mein Handy, meinen Bleistift und meinen Kugelschreiber usw. – behändig aus der Tasche entwenden würden.

Ich habe mich so sehr ins Zeug gelegt – und damit meine ich, dass ich mich sehr hysterisch aufgeführt habe – , dass ich manche Kostbarkeiten nicht auf die Reise mitnahm.

Aber Entwarnung. Meine Hysterie ist jetzt vom Eis. Meine Reise nach Rom war alles anders als ein Ringkampf mit Unholden, die mich als Weihnachtsganz ins Visier nahmen. Im Gegenteil. Ich vermute, dass ich gar keinem Taschendieb begegnet bin.

Vielleicht doch einmal. Da drängte sich einer an meiner Frau heran, als wir in die Metro einstiegen. Ich habe aber ganz cool meine Hand zwischen ihm und ihr gelegt und ihn dabei streng angeblickt. Prompt hat er sich entschuldigt. Hinter mir stand übrigens sein Kumpel. Während der Fahrt waren wir alle eng aneinander gequetscht. Es passierte aber nichts. An der nächsten Haltestelle sind die beiden ausgestiegen. Vielleicht waren sie Taschendiebe. Vielleicht nicht. Keine Ahnung.

Nur einem richtigen Dieb bin ich in Rom mit Sicherheit begegnet. Und das war ich selbst. Ich war nämlich mit meinem neuen Fotoapparat unterwegs. Er hat ein Display, das man runterklappen kann. Damit vermag ich hunderte von Menschen im Sensor einzufangen, ohne das sie etwas davon mitbekommen. So machen es auch die Taschendiebe. Ich fühlte mich wie die Mücke, die lautlos rumfliegt, auf die Haut landet, Blut saugt und sich dann wieder verduftet.

Kein Mensch in Rom war vor mir sicher. Denn ich falle kaum auf. Das tun nur wenige Menschen, wenn sie ein gewisses Alter erreichen. Wir zählen nicht mehr zu den Gefährlichen. Man sieht uns nicht. Junge Menschen hingegen sind alleweil gefährlich. Denn sie können jederzeit etwas bewirken. Und das ist ja der besondere Reiz der Jugend. Der heimliche (oder manchmal unheimliche) Augenkontakt zwischen boy und girl am Vorbeigehen auf der Straße trägt immer das Versprechen der Gefahr, ist immer in der Lage, Konsequenzen mit sich zu ziehen.

Ich hingegen marschiere vorbei und werde schnell wieder vergessen. Wer ahnt, dass ich gerade ein intimes Foto geschossen habe?

Ja, die Kuh ist in trockenen Tüchern wieder. Der Schriftsteller ist heil aus Rom zurückgekehrt, wo er sich während seines Aufenthalts stillschweigend der Privatsphäre anderer bedient hat, um fremde Menschen in Kunst zu verwandeln.

„Taschendiebe in Rom? „ sagt mir mit Erstaunen Freund Eddie. „Come on! Rom ist harmlos. Weißt du, wo man die meisten Taschendiebe findet?“

„Nein.“

„In der Kaufingerstraße in München. Denn dort treffen die Langfinger auf besonders tiefe Taschen, Taschen, die prall mit Banknoten sind. Pilger in Rom, die den Papst oder die Ruinen bewundern, sind dagegen mittellose Bettler.“

Eigentlich hätte ich das als gebürtiger New Yorker selbst wissen müssen. Doch kaum verfällt man in die Hysterie und zack! Alles, was man besser weiß, geht schnell flöten wie eine Kuh aufs Eis. Schon wieder mische ich meine Metapher auf.

Nebenbei: Wir haben in einer tollen – und preiswerten – Ferienwohnung in Rom gewohnt. Und hier die freiwillige Werbung für Marco, den Besitzer dieser hübschen Wohnung in San Lorenzo. Marco ist unter mlaurenzano@virgilio.it zu erreichen. Ein Geheimtipp vom Sprachbloggeur – stets zu Ihren Diensten.

Hoffentlich werden wir selbst mal wieder trotz des durch diese Werbung zu erwartenden Andrangs die Wohnung für die nächste Reise beziehen können. Ciao e Saluti.

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