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Vollpfosten und andere Sockenschüssige

„Nun habe ich schon wieder ein neues Wort für Sie“, sagte ich Frau M. Inhaberin des Paradieses mit Stolz.

Wie? sinnieren manche Leser. Das Paradies hat aber keine Inhaberin, sondern, wenn man ihn so bezeichnen darf, einen Inhaber, den Petrus, der aber eher Türsteher ist wie vor der Disco.

Langjährige Leser wissen aber, dass hier die Rede von meinem Lieblingsobst- und Gemüseladen ist: dem „Paradies“, auch an den kältesten Wintertagen ein Zauberland der Melonen, Papayas, Mangos und Ananas (wie lautet wohl die Mehrzahl von „Ananas“? Ananasse? Ananasen? Ananässe?).

„Da schau her“, sagte Frau M. „Auch ich hätte für Sie ein neues Wort. Doch fangen Sie zuerst an.“

„‚Vollpfosten‘ heißt es. Kennen Sie es?“

„Na, eigentlich nicht.“

„Ich schon“, sagte nun Frau D., Mitarbeiterin im Paradies. „Es bedeutet Dummkopf.“

„Woher weißt du das?“ fragte Frau M.

„Das sagt mein Sohn immer.“

„Ja genau“, funkte ich dazwischen. „Letzte Woche erschien auf meiner Sprachbloggeurseite urplötzlich ein ellenlanger, rosafarbiger Kasten. Unzählige Male der gleiche Text: ‚Warning: include(): Unable to allocate memory for pool. in theme_render_template() (Zeile 1495 von /usr/local/www/drupal-7.19/includes/theme.inc).‘ Ich habe nichts verstanden und habe mich sofort an meinen Provider, Herrn N., gewendet.“

„Ja, diesen komischen Kasten habe ich auch gesehen“, sagte Frau M. „Ich dachte mir: Hoppla! Was ist da los? Und habe mich gleich wieder ausgeklinkt, falls es ansteckend sein sollte.“

„Nein, war nicht ansteckend. Mein Provider schickte mir umgehend eine Erklärung – etwas über ‚arrays‘. Ich habe den Sinn nicht verstanden. Doch er schrieb: ‚Da verliere ich meine Fassung, weil im PHP/Drupal-Umfeld immer wieder solche Vollpfosten, wie die Jugend sagt, ihr Unwesen treiben.‘
Vollpfosten‘, habe ich gedacht. Hmm. Diese Vokabel kenne ich nicht. Sie aber schon, Frau D.“

„Genau.“

„Ich habe dann in einem Lexikon der Jugendsprache nachgeschlagen. Wenn man den Sinn liest leuchtet es sogleich ein.“

„Kennen Sie ‚Sockenschuss‘? fragte Frau D. „Auch ein nettes Wort. Man sagt: Er hat einen Sockenschuss, und das bedeutet, dass er nicht ganz bei Trost ist.

„Irgendwie fehlt mir noch ein Bild dazu“, sagte ich.

„Ach so. Ein Sockenschuss ist ein Werkzeug in der Wäscherei“, erklärte Frau D. „mit dem man Socken zusammenheftet, damit sie nach der Wäsche leichter zu sortieren sind.“

„Wie kommt es aber, dass ‚einen Sockenschuss haben‘ den Sinn von ‚leicht verrückt‘ erhält?“ fragte ich.

„Hmm. Keine Ahnung.“

„Dafür kenne ich eine Redewendung, die so bildlich ist, dass jeder es sofort nachvollziehen kann. Man sagt jemand ist ‚wie ein Schluck Wasser in der Kurve‘. Ist das nicht schön?“

„Ist das das neue Wort, dass Sie mir beibringen wollten?“

„Nein, das war was ganz anders. Warten Sie mal, nun habe ich’s vergessen. Ach ja: ‚Stranizn‘. Hat meine Großmutter immer gesagt. ‚Kind gib mir die Stranizn.‘ Damit meinte sie eine Tüte, aber nur eine feste Tüte. Keine Ahnung, woher es kommt. Vielleicht können Sie das recherchieren.“

„Ich tippe aufs Slawische“, sagte ich spontan.

Und so ist es auch, liebe Frau M. In meinem schlauen bayerischen Wörterbuch habe ich „Stranize/Stranizn“ gefunden in der Bedeutung von einer „spitzen Papiertüte“ – im Gegensatz zu „Rogel“, einer normalen Papiertüte. Woher kommt die Stranizn? Im Wörterbuch heißt es, dass „straniza“ auf Russisch „Buchseite“ bedeutet.

Aber ehrlich: Man fragt sich welcher Vollpfosten aus einer „straniza“ eine Papiertüte machte. Und wie groß war das Buch überhaupt? Unwichtig. Der Typ hatte bestimmt einen Sockenschuss oder vielleicht war er lediglich wie ein Schluck Wasser in der Kurve.

In eigener Sache: Die nächsten zwei Wochen ruht der Sprachbloggeur, genauer gesagt, er geht in die große Welt auf Themensuche. Am Ende Februar der nächste Beitrag.

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